Sollte man mit den Nazis kollaborieren, um die eigene Familie oder sich selbst zu retten? Mit diesen Fragen waren jüdische Kapos sowie Judenratsmitglieder während der Nazizeit konfrontiert. Durch ihre Kollaboration wurden diese zwei Gruppen der Funktionshäftlinge zu einer Zwischenschicht zwischen den Tätern und Opfern. So mussten die Judenräte z. B. die Deportationslisten für die Nazis erstellen und die Kapos waren der SS direkt unterstellt. Für viele Überlebende verkörpern sie die Verwirklichung des absoluten Bösen: Sie waren schlimmer als die Deutschen, bemerkt ein Teil von ihnen. Was ist Mythos und was Wirklichkeit am Bild der Kapos? Die israelische Psychologin Revital Ludewig-Kedmi analysiert hier die Biografien von vier Familien. Die Autorin schildert die damaligen Konflikte und heutigen Bewältigungsversuche der Funktionshäftlinge und zeigt, inwieweit die Kapos und Judenräte nicht nur privilegierte Häftlinge waren, sondern auch doppelt missbrauchte Opfer. Die Judenratsmitglieder schrieben die Deportationslisten nicht aus böser Absicht, sondern um sich und die eigene Familie - wenn auch nur vorläufig - vor den Deportationen schützen zu können. Solche durch den Zwangskontext des NS-Systems entstandenen moralischen Dilemmata können nicht logisch rational gelöst, sondern nur emotional verarbeitet werden. In den Bemühungen der Funktionshäftlinge, sich wieder als moralisch zu erleben, kommt es zu psychischen Reaktionen, die vom Selbstmordversuch bis zur totalen Verdrängung reichen. Dabei sieht sich ein Teil der ehemaligen Funktionshäftlinge als passive Opfer, während sich andere als aktive Helden rekonstruieren. Dies ist ein interdisziplinäres Buch, das eine Analyse dieses bisher weitgehend unerforschten Themas bietet. Es zeigt, dass jüdische Funktionshäftlinge während der Ghetto- und Lagerhaft auch in den schwierigsten Situationen danach strebten, ihren moralischen Werten treu zu bleiben. Doch dies war nicht möglich, und die tiefen Risse im moralischen Selbstb
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