Es war ein innerdeutsches Tauschgeschaft Mensch gegen Ware, das parallel zur Existenz von Mauer und Grenzregime praktiziert wurde. Von 1963 bis 1989 kaufte die Bundesregierung uber 33.000 politische Haftlinge aus DDR-Gefangnissen frei, im Gegenzug erhielt das SED-Regime Waren im Wert von rund drei Milliarden DM. Als bevollmachtigte Vermittler verhandelten die Berliner Rechtsanwalte Jurgen Stange (West) und Wolfgang Vogel (Ost) unter strikter Geheimhaltung uber die Namen und jeweiligen Gegenleistungen. Im Auftrag der SED war das Ministerium fur Staatssicherheit an der Durchfuhrung der "Haftlingsaktionen" an zentraler Stelle beteiligt. Jan Philipp Wolbern legt die erste quellenfundierte Gesamtdarstellung zur Geschichte des Haftlingsfreikaufs vor, die in wesentlichen Teilen auf die Aktenuberlieferung beim Bundesbeauftragten fur die Stasi-Unterlagen zuruckgreift. Im Kontext der deutsch-deutschen Beziehungen untersucht die Studie Entstehungsgeschichte, Entwicklung und Folgewirkungen des Haftlingsfreikaufs. Sie zeigt, dass er fur beide Seiten eine Gratwanderung darstellte. Fur den Westen, da er zwar unschuldig Inhaftierten zur Freiheit verhalf, die Gegenleistungen jedoch das SED-Regime stabilisierten. Noch grosser waren die Widerspruche seitens der DDR: Einerseits wurden die Waren bzw. Devisen fur Wirtschaft und Schuldendienst verwendet, doch demoralisierte der Freikauf die Mitarbeiter des Repressionsapparates, eroffnete Ausreisewilligen ein Schlupfloch in der Mauer und beschadigte das internationale Ansehen der DDR.
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