Wie kaum eine andere Institution des ausgehenden Zarenreichs war die russische Bauerngemeinde Objekt unterschiedlichster Ordnungsvorstellungen. Von den Eliten wurde sie als ruckstandig verdammt, als Ausdruck russischer Kollektivitat idealisiert oder als unterste Stufe des gutsherrschaftlichen oder staatlichen Verwaltungsapparats funktionalisiert. Fur die Bauern ubernahm sie eine Vielzahl an Aufgaben: Sie organisierte ihr Zusammenleben, verwaltete ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten und regelte ihre Beziehungen zur Obrigkeit. Vorstellungen regelgebundener Verwaltungsrationalitat, die unter gutsherrschaftlichen und staatlichen Reformern immer popularer wurden, liessen sich nur schwer auf sie ausweiten. Als die russischen Bauern im Jahr 1861 aus der Leibeigenschaft entlassen wurden, kam es daher zu einigen Kontroversen daruber, wie sie in den Staat zu integrieren seien. Wie konnte gewahrleistet werden, dass Ordnung herrschte und die staatlichen Interessen gewahrt blieben? Sollten die Bauerngemeinden ein Teil der Staatsverwaltung werden oder ihre Sonderstellung behalten? Welche Rolle wurde dabei der ortliche Gutsadel, welche die ortliche Burokratie spielen? Das Buch beschreibt am Beispiel des Gouvernements Rjazan' die Wechselbeziehungen zwischen staatlichen und gutsherrschaftlichen Reformern und den bauerlichen Selbstverwaltungen zwischen 1834 und 1889. Besonders interessiert dabei die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die rechtliche Isolation der Bauernschaft vom Rest der Gesellschaft am Ende dieses Zeitraums nicht gemindert, sondern im Gegenteil zementiert wurde.
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